„Glück braucht man auch!“
Berchtesgaden – Im Rahmen des Tages der offenen Tür kam Bildhauer und Maler Jürgen Batscheider wieder an die Schnitzschule zurück, um über seine künstlerischen Arbeiten zu berichten. Mit seinem Gedenkstätte für die Opfer des Flugzeugunglücks vom März 2015 in den französischen Alpen wurde er auch international bekannt.
„Alles, was ich an der Schnitzschule gelernt habe, konnte ich in meinem Arbeitsleben gebrauchen.“ Der dynamische Künstler erzählte fesselnd von seinen verschiedenen Projekten. Da ist einerseits die Malerei, die er schon vor seinem Besuch der Berufsfachschule angeeignet hatte. Heute malt er regelmäßig in Südfrankreich, wo er zwei Monate im Jahr verbringt, da ihn die Landschaft und vorallem das Meer mit seinen verschiedenen Stimmungen fasziniert. „Mir haben es die Wellen angetan. Lange habe ich sie studiert, denn nur wenn man versteht, wie eine Welle funktioniert, dann kann man sie auch malen.“ Im Freien, die Leinwand auf dem Boden ausgebreitet, da er mit sehr flüssigen Farben arbeitet, hält er die dramatischen Lichtspiele und Wellenbewegungen des Mittelmeeres fest.
In seiner Arbeit „Boat People“ spielt auch das Mittelmeer eine zentrale Rolle, denn aus Eichenweinfässern hat er eine ganze Reihe von stilisierten Booten mit Menschen besetzt geschaffen, die auf einem langen Stab entlang des Mittelmeers in den Sand gesteckt werden können. Damit möchte er an die Flüchtlinge erinnern, die sich den Gefahren einer Überquerung des Mittelmeeres mit einem Boot aussetzen. Der inhaltliche Hinweis ist der eine Aspekt dieser Arbeit, daneben ist es auch ästhetisch gelungenes Werk, wie als Zug gruppiert, die Boote vom Strand ins Meer ziehen.
Nach der Schnitzschule fing Jürgen Batscheider an, Künstler-Symposien zu organisieren. „Auf 11.000 m² leben und arbeiten Holz-, Stein- und Metallbildhauer, Keramiker und sonstige Künstler bei mir in freier Natur. Die Ergebnisse unseres künstlerischen Schaffens werden auch in diesem Jahr wieder parallel zum Symposium in der Galerie Kirstin Köllner zum Kauf angeboten. Künstler können sich sowohl eigeninitiativ bewerben oder aber sie werden von uns eingeladen.” Wer interessiert ist an einem Besuch, kann sich jederzeit bei dem Organisator Jürgen Batscheider über seine Homepage bewerben.
Sein größtes Werk ist sicher die Gedenkstätte für die Opfer des erweiterten Selbstmordes des Flugkapitäns der Lufthansa, der 149 Menschen am 24.März 2015 in den französischen Alpen mit in den Tod riss „Eines Tages bekam ich per Mail eine Einladung, an dem Wettbewerb teilzunehmen.“ Bis heute weiß er nicht, wie die Lufthansa, die einen geladenen hochkarätig besetzten Wettbewerb organisiert hatte, auf ihn gekommen war. „Als Künstler braucht man auch ein wenig Glück“, stellt Batscheider fest, der in seinem Leben immer wieder Wendungen und fördernde Impulse erfahren hat. Er konnte sich gegen die internationale Konkurrenz durchsetzen, sein Konzept überzeugte. Die Lufthansa stellte 500 000€ zur Verfügung, damit Batscheider seine Idee umsetzen konnte. Es war eine große Herausforderung. „Die konnte ich nur meistern, weil ich über ein gutes Netzwerk an Handwerkern verfüge, die mir geholfen haben.“
Den Rat gab er auch den Schülerinnen und Schülern mit, sich ein unterstützendes Netzwerk frühzeitig aufzubauen, das dann zum Einsatz kommt, wenn man es braucht. Das hatte er getan, denn ihm standen nur drei Monate für die Ausführung zur Verfügung, denn bis zum zweiten Jahrestag 2017 sollte das Gedenkelement fertiggestellt sein. „Ich hatte bis zu zwanzig Menschen gleichzeitig engagiert, die mir geholfen haben, die Gedenkstätte zu konstruieren, herzustellen und aufzubauen.“ Viel zum Schlafen ist er in dieser Zeit nicht gekommen. Es galt, den gesamten sehr aufwändigen Herstellungsprozess zu koordinieren und zu überwachen. „Soweit es ging habe ich überall mitgearbeitet.“ Sichtbar ist eine große Kugel, deren Haut aus 149 handvergoldeten Einzelteilen, für jedes Opfer ein Teil, besteht. „Sechs Vergolder haben eine Woche lang daran im Akkord gearbeitet.“
Das Eigentliche liegt unsichtbar im Inneren der Kugel. In einem fünfseitigen hochglänzenden Metallkörper in Form eines Kristalls befinden sich Holzkugeln, in die die Hinterbliebenen persönliche Gegenstände einbringen konnten, die für immer verschlossen, eine gedankliche Verbindung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits herstellen. „Das Eigentliche der Arbeit ist sozusagen nicht zu sehen, nur das Wissen über ihre Existenz ist für die Hinterbliebenen tröstlich.“
Die Kugel, die genau an jener Stelle aufgestellt wurde, an der die Flugzeugnase sich in den Berg gebohrt hat, liegt im Sperrgebiet. Besucher können jedoch von einer Plattform die Gedenkstätte sehen. Dort hat Batscheider einen Metalltor aufgestellt, das so hoch ist wie die Kugel und so breit wie der Metallkörper in ihrem Inneren. Die Flugnummer sowie die Absturzkoordinaten sind eingeschrieben und schaffen eine Verbindung hin zur eigentlichen Gedenkstätte. „Ich wollte immer ein großes Werk schaffen“, erzählt der Künstler. „Aber ich möchte so eines nicht mehr machen müssen, denn der Grund dafür ist einfach nur entsetzlich.“
Christoph Merker